Dienstag, 26. März 2013

June Paik - June Paik (2013)

Wer erinnert sich nicht gerne an die gute alte Zeit als Screamo noch das Lieblingsgenre war? Lieblingsgenre deshalb, a) weil es Emotionen so intensiv wie keine andere Musik ausdrücken konnte, b) weil man bei den Bands die Liebe und Leidenschaft zur Musik und der Szene jederzeit abnahm, c) weil man die liebevoll aufgemachten Vinyl-only Veröffentlichungen so gerne gesammelt hat, d) weil man diesen ganz speziellen Zusammenhalt auf den meistens kleinen Konzerte spürte...Die Aufzählung könnte man locker auf eine DIN A4-Seite erweitern. Irgendwann ist es dann passiert. Und im Nachhinein geschah es plötzlich, still und leise: Screamo war verschwunden. Totgehört hat ihn aber ganz bestimmt niemand. Eher war es so, dass Musiker (und Hörer) erwachsen wurden. Jobs und Familie statt Musik. Alltag statt Leidenschaft on the road. Band-Neugründungen? Fehlanzeige. Die ohnehin meistens nur für wenige Outputs zusammengekommenen Screamo-Bands waren auf einen Schlag verschwunden. Neue Bands? - bevorzugten andere Musik und waren kommerzieller orientiert. Ein Genre war, abgesehen von unbefriedigenden Genre-Abkömmlingen und Weiterentwicklungen, mausetot. Wir Hörer suchten uns, auch gezwungenermaßen, neue Lieblingsmusik und wendeten uns anderen Genres wie dem ähnlich intensiven Black Metal, dem aufkommenden Crust-Hardcore oder dem wiederaufblühenden US-Indie/Emo zu. Nur noch ab und zu und immer seltener ließen wir unsere alten Screamo-LPs hochleben...viel mehr ging nicht mehr. Anno 2013 kommen jetzt June Paik daher und katapultieren uns mit ihrem neuen Album (bandtypisch wieder selbstbetitelt) mit einem Schlag in die gute alte Zeit zurück. Diese LP führt uns vor Ohren, was uns allen doch gefehlt hat. Es zelebriert Screamo als wäre er nie weg gewesen. Vier Songs, vier Mal Screamo aus dem Lehrbuch: episch, intensiv, emotional, instrumental, mitreissend, dramatisch und echt. Kein bemühter Versuch, neue Post-Irgendwas-Einflüsse zu integrieren, sondern Reinkultur in jeder Note, jedem Ton. Es ist wirklich alles drin, es wird alles gesagt. Dabei ruht das etwas kurz geratene Album in sich selbst. Es ist kein Raubein, es ist ein geschliffener Diamant, der seine Energie bündelt und nach innen richtet, nicht nach außen. Diese LP ist die kontrollierte Offensive einer Band, die seit ihrer Existenz gefühlt nicht oft da, doch tatsächlich niemals weg war und damit fast alle überlebt hat.


Samstag, 16. März 2013

Children Of God - We Set Fire To The Sky

Die erste LP der Band Children Of God (u.a. Ex-Graf Orlock) hat es gewaltig in sich. We Set Fire To The Sky ist ein beeindruckend intensiver Streifzug durch die Unterwelt verschiedener Heavy-Genres. Der größte Einfluss für die Band dürfte Neurosis sein, was man nicht zuletzt daran erkennt, dass auch ein Neurosis-Album gut und gerne auf den Titel "We Set Fire To The Sky" hören könnte. Genug Vergleich. Children Of God machen natürlich einiges frischer als die Altmeister (sic). Ihr Album ist nicht zu lange geworden, um zu überforden, fordert aber dennoch gehörig Aufmerksamkeit aufgrund unberechenbarer Songdynamiken. Ja, man kann an dem Album auch vorbeihören. Die Songs gehen mit dichter Atmosphäre ineinander über und könnten kaum mehr Abwechslung bieten. Auf dem Album gibt es keine Hits, sondern ein einziger tiefer Abgrund, in den man sich nach kurzer Überwindung hinein begibt und erst nach mehrmaligem Hören die Fallhöhe erkennt. We Set Fire To The Sky ist kein schneller Spass, sondern ein tiefgründiges Album, dass wie ein zäher Lavastrom rund um einen ausbrechenden Vulkan fließt.

Baptists - Bushcraft

Bei einem Southern Lord-Release von Geheimtipp zu sprechen, ist eigentlich absurd. Doch Zeiten ändern sich und so haben die kanadischen Baptists mit ihrem Debutalbum in der größeren Öffentlichkeit nicht gerade die besten Karten. Dafür haben sie mit Bushcraft ein glänzendes Album im Gepäck. Baptists kommen ursprünglich aus der Crust/D-Beat-Ecke, öffnen sich jedoch mit Bushcraft noch weiteren Spielarten des Hardcore. So gibt es neben überwiegend schnellen Songparts desöfteren chaotische Converge-Riffs oder kurze, mächtige Sludge-Ansätze. Für Fans z.B. von Rise And Fall, Cursed oder Converge ist Bushcraft zwar keine Höchstpunktzahl-Offenbarung, aber ein rundum solides Album, auf dem man mit jedem weiteren Hördurchgang mehr Details entdeckt. Natürlich hatte Kurt Ballou als Produzent wieder seine Finger im Spiel, sodass das Ganze typischen God City-Sound hat...


Old Gray - An Autobiography

Old Gray mit ihrem Debut. Schon länger gelten sie als Geheimtipp...als kommende Rekordband im Sinne von La Dispute oder Touché Amoré. An Erstere fühlt man sich auf An Autobiography oft erinnert, wenn es ruhiger zugeht...wenn die Vocals gesprochen, leidend klagen. Das Album bietet einen ganz hervorragenden Intro-Song und eine, bereits beim zweitem Hören, langweilige 0815-Postrock-Instrumental-Nummer als Abschlusstrack. Und dazwischen finden sich 6 Songs klassischer Screamo. Nicht der mit dem Highspeed-Highpitched-Gekreische, sondern der mit dem emotionalen "Gesang". Old Gray schaffen einen deutlichen Qualitätssprung im Vergleich zu ihren 2 vorherigen, auch guten EPs und haben ein sehr liebenswertes, bewegendes Stück Musik aufgenommen. Doch mindestens ein Kritikpunkt bleibt: Ausgenommen von Opener und Schlusstrack bleiben die Songs in ihrer Dynamik zwischen laut und leise, hart und weich, wütend und leidend zu ähnlich und wenig abwechslungsreich. Und so bleibt abzuwarten, ob das kurze Album den Test der Zeit besteht. Man meint zu wissen, dass An Autobiography das Album vor dem Durchbruch-Album sein wird. Das Album vor dem Meisterwerk auf einem größeren Label (Nichts gegen Broken World Media). Achja: ein aus der Reihe fallender Song gibt es dann doch noch: Emily's First Communion. Der Anfang ist zum Heulen schön und später hört man weibliche Vocals, die man so selten gehört hat. Solche experimentellen Ideen hätte man sich im mehr gewünscht und, Tipp, wird es auf der nächsten Platte sicherlich auch geben.



Samstag, 9. März 2013

Donovan Wolfington - Stop Breathing

Ganz viel Charme bringt die aus New Orleans kommende Band Donovan Wolfington mit ihrem Album Stop Breathing mit: Emo, Punk und noch mehr Indie Rock, alles im Sinne der 90er Jahre. Dabei klingt Stop Breathing wie ein sehr abwechslungsreicher Genremix mit genauso abwechslungsreichen Vocals (mal geschrieen, mal sanft gesungen, mal dahin gerotzt, mal weiblich zweistimmung, mal folk-/countryesk). Liebenswert und hoch unterhaltsam klingen die 9 Songs des Albums. Unterhaltsam auch hinsichtlich der Lyrics...vor allem die Nerds da draußen werden...ach, mehr sei an dieser Stelle einfach nicht verraten. Selbst nachhören! Ein Plus der LP ist auch, wie bereits beschrieben, dass man eine Dame mit dabei hat, die ab und an die zweite Stimme beiträgt. Wenn man Stop Breathing hört, sehnt man sich den Frühling und die ewige Jugend herbei. Geheimtipp!


Mittwoch, 6. März 2013

Ruined Families - Blank Language

Hardcore aus Athen, Griechenland. Ruined Families dürften bereits durch ihre 7inch aus 2012 bekannt sein (davor gabs sogar schon ein Debut-Album), doch Blank Language sollte selbst die Kenner überraschen: Ruined Families haben einen kleinen Kurswechsel vollzogen, ihren Hardcore durch heruntergestimmte Instrumente nochmals düsterer werden lassen und mischen dabei unverkennbar emotionale Post Punk-Elemente dazu. Blank Language bietet dabei doch tatsächlich aufregende genre-untyptische Riffs und außergewöhnlich intensive Vocals, die mal brutal, mal Richtung Sprechen klingen und die Musik in seltenen Momenten in die Nähe von Screamo der alten Schule rücken. Das alles in 9 ineinander fließende Songs in nicht einmal 30 Minuten, über die man bereits jetzt sagen muss, dass diese auch noch Ende 2013 zu den absoluten Genre Highlights gehören werden. Blank Language klingt dunkel, fies, wütend, fordernd, komplex und emotional. Jeder, der mit Hardcore im weitesten Sinne etwas anfangen kann, sollte sich dieses Album mindestens auf der Bandseite downloaden. Ganz dringende Empfehlung!


Samstag, 2. März 2013

The Black Heart Rebellion - Har Nevo

Was waren die Erwartungen an dieses Album groß...das lag unter anderem an der grandiosen, mysteriösen Vorab-Single Avraham inklusive dem dazugehörigen Video. Das lag an dem vorab bekannten Artwork des Albums. Wer weiss, an was es noch lag. Har Nevo ist dann auch tatsächlich ein großartiges Album geworden, auf dem man progressive Musik mit Screamo-Background zu hören bekommt. Screamo-Background? Ja, der fällt einem beim Hören eventuell nur dann ein, wenn man die Band schon vorher kannte. Denn auf vorherigen Releases klangen The Black Heart Rebellion noch ganz anders. Auf Har Nevo fallen nun ungewöhnliche Songstrukturen, dominante Drums, hervorragende Vocals (es wird meistens clean gesungen) und viel Percussion positiv auf. Die Band klingt nicht wie eine andere und zelebriert ihren Post Hardcore beeindruckend kreativ und völlig eigenständig. Da man dennoch dazu neigt, nach Vergleichen zu suchen, könnte man ab und zu auf A Perfect Circle oder Ira kommen, die einen auf Nick Cave machen. Har Nevo enttäuscht nicht, hinterlässt aber den Eindruck, noch besser hätte werden können. Jammern auf hohem Niveau. Fun Fact zum Schluss: Verwundern würde es nicht, wenn sogar ein altbackenes Prog-Rock-Mag wie Eclipsed darauf steil geht.


Solemn League - Different Lives

Just Went Black, Kurhaus: super Bands waren das. Und einige Menschen von diesen Ex-Bands sind mittlerweile in Solemn League, die jetzt nach jahrelangem Herumtreiben endlich ein Full Length aufgenommen haben. Different Lives klingt dabei herrlich undeutsch nach dem punkigen, emotionalen US-Indie der 90er. Dabei sind Solemn League catchy ohne dabei die Ecken und Kanten zu vergessen. Freunde dieses Genres bekommen mit dem Album einen wahren Schatz für ihre Plattenkiste. Bitte unterstützen, das heisst: kaufen, downloaden, auf Konzerte gehen, los!